User Experience, die süchtig macht

Du willst deine NutzerInnen begeistern und dafür sorgen, dass sie immer wieder zu dir zurückkehren? Dann solltest du diese Tipps beherzigen.

Von Fabian Hans
03.04.2018
Veröffentlicht am 03.04.2018

8 Minuten

Das erfährst du in diesem Beitrag:

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Was ist User Experience?

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Wie kannst du sie verbessern?

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Was kannst du tun, um deine Nutzer und Nutzerinnen süchtig nach deinen Inhalten zu machen?

Steve Jobs hat beim Launch des iPhones gesagt: „Wir haben die Buttons am Bildschirm so gut aussehen lassen, dass du sie am liebsten ablecken würdest.“ Seitdem wird die User Experience von Apple von Experten immer wieder als Best-Practice-Beispiel verwendet. Der Apple-Ansatz darf jedoch nicht auf andere Branchen oder Zielgruppen übertragen werden, denn Apple ist einzigartig – so wie deine Marke auch!

Wie aber funktioniert UX und wie kann diese für die NutzerInnen nachhaltig gestaltet werden, sodass sie eine Unique User Experience erfahren und diese immer wieder erleben wollen?

Was ist User Experience?

Die User Experience sind im Grunde alle Aspekte der Erfahrungen, welche die Nutzer und Nutzerinnen bei der Interaktion mit einer Website haben. Zu diesen Aspekten gehören zunächst die Emotionen und Verhaltensweisen der Nutzenden, welche als Reaktion auf der Website entstehen.

User Experience ist also die Reaktion auf die Funktionalität und Gestaltung der Seite. Diese Aspekte werden durch die Nutzer und Nutzerinnen auf der Basis ihrer Erwartungen, Vorkenntnisse und Fähigkeiten entweder positiv oder negativ bewertet. Weitere Einflussfaktoren sind die Nutzungssituation, der Kontext und die Markenwahrnehmung sowie das durch das Produkt ausgelöste Verhalten.

Eine Website oder auch App muss stabil funktionieren und effektiv zu bedienen sein (Usability). Sie sollte zudem den NutzerInnen einen Mehrwert bieten (Utility) und optisch ansprechend sein. Wenn die Seite angenehm wahrgenommen wird, dann wird sich dies positiv auf die Marke auswirken, indem die Nutzer und Nutzerinnen wiederkommen oder sich während der Kaufentscheidung für das angebotene Produkt entscheiden.

© https://www.researchgate.net/figure/User-Experience-NNGroup-2008_fig1_326735386

All diese Punkte zahlen auf die UX ein

Wie „Experience“ im Gehirn funktioniert

Übersetzt bedeutet Experience: „Erfahrung“. Erfahrungen werden auch als das durch Wahrnehmen und Erleben gewonnene Wissen bezeichnet. Doch wie lässt sich dies auf die Interaktion mit einer Website übertragen?

Stell dir vor, du wirst in einem neuen Job durch die Gänge geführt und musst dir die Namen aller neuen KollegInnen merken. Nach einer Stunde und nach ca. 50 neuen Kollegen und Kolleginnen kannst du dich nur an wenige Namen erinnern. Warum? Genetisch bedingt ist die Kapazität unseres Kurzzeitgedächtnisses beschränkt und wir können uns nur eine bestimmte Anzahl an Informationen merken (7 +/- 2 = Millersche Zahl). Kann der Name auch nach einer Stunde noch erinnert werden, dann hat dieser seinen Weg in das Langzeitgedächtnis gefunden, wo er mit schon bekannten Informationen oder anderen neuen Informationen verbunden wird.

© Springer Link

Vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis 

Dies passiert unterbewusst und ist ein Nebenschauplatz der Kommunikation. Die User Experience einer Website ist genau dieser Nebenschauplatz, der dazu führt, dass die Marke am Ende der Produktrecherche von den Nutzern und Nutzerinnen noch erinnert wird – da die Marke oder das Produkt unterbewusst als nützlich (Utility) und benutzerfreundlich (Usability) wahrgenommen wurde. Somit lässt es sich positiv von anderen abgrenzen. Das User Interface ist hierbei praktisch das Gesicht der Marke. User Experience ist also ein Mittel zum Zweck – nämlich zur nachhaltigen und positiven Bewertung durch die NutzerInnen.

Erfahrungen werden durch Anschauung, Empfindung und Wahrnehmung über alle Sinne gemacht. Der Mix der Sinneswahrnehmung muss zeitlich klar für den Menschen als „Moment“ abgegrenzt werden können. Dieser Moment kann überraschend für die NutzerInnen sein oder aber der Nutzer bzw. die Nutzerin wird auf diesen durch Informationen vorbereitet, sodass Vorfreude entsteht. Nach diesem Moment erfolgt dann die Reflexionsphase, in der die Erfahrung entweder positiv oder negativ bewertet und abgespeichert wird. Hierbei ist nun zu überlegen, welche Rolle deine Seite in der Costumer Jorney spielt. Soll hier z. B. schon gekauft werden oder auf den Kauf am Point of Sale vorbereitet werden?

Die Phasen der Erfahrung

Das Internet ist technisch (noch) auf zwei Sinneswahrnehmungen begrenzt. Zum einen die visuelle Wahrnehmung und zum anderen die auditive Wahrnehmung. Die olfaktorische (Geruchssinn), die haptische (Tastsinn) und die gustatorische (Geschmackssinn) Wahrnehmung sind auf Websites nicht möglich.

Auditive Reize (Hören) werden auf Shop-Seiten und Unternehmensseiten meistens nur noch wenig eingesetzt, da NutzerInnen eine Seite häufig wieder verlassen, wenn Musik über eine Autostart-Funktion abgespielt wird und sich die Ladezeiten dadurch verlängern.

Somit bleibt für die User Experience nur noch die visuelle Wahrnehmung, um eine „Experience“ zu schaffen, die funktioniert. Funktioniert die Seite nicht oder ist für den Nutzer bzw. die Nutzerin nicht kompatibel, dann kann die Seite von den NutzerInnen nicht positiv bewertet werden.

Um negative Erfahrungen mit der Seite zu vermeiden, muss genau abgeschätzt werden, welche Fähigkeiten die NutzerInnen haben und was man ihnen zumuten kann. Durch visuelle Reize wie Bilder, Texte oder das Design werden Assoziationen, Erinnerungen oder Träume getriggert, die dann bewertet werden. Zudem werden neue Informationen – z. B. das Markenimage – mit bekannten Informationen verbunden. Wir könnten uns z. B. überlegen, welche Erfahrungen die Zielgruppe der Seite schon gemacht hat, um diese zu unserem Vorteil zu nutzen.

Dies zeigt folgendes Beispiel:

Achte auf dein körperliches Empfinden und …

1. ..entspanne dich, denk an etwas Positives, schließe die Augen, atme ruhig und tief

2. … stelle dir nun eine schöne reife Zitrone vor. Du schneidest sie auf, siehst das Fruchtfleisch und beißt kräftig in die saftige Zitrone

3. .… genau wie der neue Zitronenkuchen, der jetzt 50 % mehr Fruchtgehalt hat. (CTA: Jetzt Testen)

Der Gedanke an eine Zitrone löst häufig positive Assoziationen aus

In dem Beispiel wird im zweiten Schritt eine Erinnerung abgerufen. Es entsteht ein Moment der Erfahrung und der Speichelfluss wird angeregt. Im dritten Schritt wird dieses bekannte Gefühl mit der werblichen Information verbunden. Im darauffolgenden Schritt, der nicht genannt wurde, fand eine Bewertung des Beispiels statt, die vollkommen anders sein wird, wenn die Nutzer und Nutzerinnen dieses Erlebnis auf der Seite des Zitronenkuchen-Anbieters hätte, als in einem Artikel über User Experience. Denn die NutzerInnen werden durch Bilder, Designs und Texte besser vorqualifiziert. Es besteht ein anderer Kontext und eine andere Intention der Nutzer und Nutzerinnen. Das Beispiel zeigt jedoch, dass alleine die visuelle Wahrnehmung ausreicht, um unser körperliches Empfinden zu verändern.

Mehrwert bieten durch das Erleben von „Flow“

Wichtig ist, dass der erste Eindruck positiv auf den NutzerInnen anspricht und ihn nicht abstößt. Dafür hast du nur wenige Sekunden Zeit. Dazu muss die Seite zu dem passen, was der Nutzer bze. die Nutzerin gesucht hat. Diese Erwartungshaltung wird durch Werbemittel (wie SEO- oder SEA-Texte) erzeugt und muss im Einstiegsbereich getroffen – oder besser noch übertroffen – werden (Message Match).

Sind die Nutzer und Nutzerinnen auf der Seite, dann gilt es, ihnen einen Mehrwert zu bieten. Dies kann durch Inhalte geschehen, die entweder informativ oder unterhaltend sind. Diese müssen im Sinne der Tonalität und den Marken-Werten geschrieben werden.

Das Momentum und der erste Eindruck können durch ein Flow-Erleben über die Seite hinweg verstärkt werden.

Beim Flow-Erleben ist der Mensch in einem besonderen Bewusstseinszustand. Dieses Erleben geht einher mit positiven Gefühlen wie Glück und Zufriedenheit sowie der Freude über den Erwerb von Wissen und die Erweiterung der eigenen Fähigkeiten. Gefühle also, die man immer wieder erfahren möchte. Die Nutzer und Nutzerinnen müssen hierfür (zumindest gefühlt) alles unter Kontrolle haben. Es ist z. B. motivierend, wenn während einer Aufgabe eine positive Rückmeldung gegeben wird und die Nutzer sehen, dass sie alles richtig gemacht haben. Dazu werden z. B. Glückwünsche und positive Nachrichten ausgesprochen. Dazu ist es wichtig, die Fähigkeiten der NutzerInnen genau abzuschätzen, um dann die Ansprüche an sie genau anzupassen. Zielgruppen können z. B. unterschiedlich stark technisch sowie internetaffin sein oder unterschiedlich starke affektive oder kognitive Bedürfnisse haben. Theoretisch können Herausforderungen, die auf einer Seite gegeben werden, auch zu einer höheren Motivation führen, da die NutzerInnen dazulernen. Dies gilt es durch eine gute UX-Untersuchung zu verifizieren.

Die Flow-Theorie

Mehrwert bieten durch das Erleben von „Flow“

Hatte der Nutzer bzw. die Nutzerin seine oder ihre erste Berührung (bzw. seine erste Erfahrung) mit der Marke und der Seite, dann ist es wichtig, dass er bze. sie erneut auf die Seite geführt wird. Aus der Lernpsychologie wissen wir, dass Menschen durch Wiederholung lernen. Das bedeutet, dass die NutzerInnen sich nachhaltig erinnern. Daher müssen die Nutzer und Nutzerinnen auch außerhalb der Website an das Unternehmen erinnert werden. Die pragmatischsten Ansätze hierfür sind Retargeting und Newsletter-Marketing. Diese führen dann zum zweiten Besuch der Seite und somit zum zweiten Eindruck.

Wichtig ist, dass wenn die NutzerInnen wiederkommen, sie einen anderen Einstieg erhalten, damit sie in der zweiten Wahrnehmung feststellen, dass sich hier etwas verändert und man etwas verpassen könnte. So kommen Nutzer und Nutzerinnen eher ein drittes Mal zurück, um wieder etwas Neues zu sehen.

Der Berater Nir Eyal aus dem Silicon Valey beschreibt dies als variable Belohnung, welche für eine Aktion ausgegeben wird. Die Seite wird zunächst durch einen externen Trigger (z. B. Retargeting) und später dann durch einen internen Trigger (die Angst, etwas zu verpassen) aufgerufen. Die Marke bleibt dabei ein stabiles Element, welches im Zuge aller Variablen wiederholt wird.

Diese Veränderung kann z. B. im zwei Wochen-Rhythmus geschehen, indem immer andere Produkte in Szene gesetzt werden. Der Effekt kann durch Personalisierungsmaßnahmen unterstüzt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Facebook. Jedes Mal, wenn die NutzerInnen ihre Seite öffnen, erhalten sie neue Inhalte (Variable Reward), was zu dem Schluss führt, dass sie etwas verpassen, wenn sie die Seite nicht öffnen. Die Belohnung bleibt aus und das Schmerzzentrum im Gehirn wird aktiviert. Fast wie bei einer Sucht, welche eine Abkürzung zur neuronalen Belohnung auf Knopfdruck ist. Das Gehirn signalisiert auf Knopfdruck – Belohnung – und wandelt negative Gefühle in positive Gefühle um. An der California State University haben Wissenschaftler in Studien erforscht, dass Facebook oder auch Videospiele ähnliche Effekte auf das Gehirn haben wie eine Kokainsucht.

© Nir Eyal, 2014

Es kann ganz schnell gehen, und wir sind “hooked”

Es muss nun individuell geklärt werden, welche Belohnung deine Marke den NutzerInnen bieten kann. Hierzu bietet der Nutzen- und Belohnungsansatz (Uses and Gratifications) des Kommunikationsforschers Elihu Katz mögliche Startpunkte.

Dieser Ansatz beschreibt, dass jedes Medium eine Standardgratifikation hat, die situationsspezifisch von Nutzern und Nutzerinnen in Anspruch genommen wird. Er unterscheidet zwischen: Wirklichkeitsflucht, Information, Unterhaltung und sozialem Anschluss. Er bezieht sich zwar noch nicht auf das Internet, da es dieses in den 60er-Jahren noch nicht gab, aber sein Ansatz kann dahingehend erweitert werden, dass es nun Hybridformen zwischen den Belohnungen gibt. Edutainment (informativ & unterhaltend) ist das beste Beispiel für ein solches Hybrid.

Fazit

Um eine Unique User Experience zu schaffen, die süchtig macht, müssen bereits gelernte Verhaltensweisen und gelernte Erfahrungen der NutzerInnen aufgegriffen werden. Die Bedeutung der Seite muss im Kontext der Customer Journey betrachtet werden, um ein „Momentum“ zu erzeugen. Es muss ein Grundbedürfnis der Nutzer und Nutzerinnen im Einklang mit der Marken-Kommunikation auf unterschiedliche Art und Weise befriedigt werden, sodass die NutzerInnen das Gefühl haben, dass sie etwas verpassen, wenn sie nicht auf der Seite sind. Eine gute User Experience ist somit ein niemals endender Prozess. Um die richtigen Maßnahmen zu finden, die sich positiv auf den Umsatz auswirken, bedarf es einer guten UX-Untersuchung sowie stetigen A/B-Testings von einzigartigen Ideen.

Buchempfehlungen & Vertiefung

1. Hooked: How to Build Habit-Forming Products – von Nir Eyal. Er ist Autor und Experte für Psychologie, technologische Entwicklungen, Business und die Verbindung dieser drei Bereiche miteinander als Berater im Silicon Valley.

2. The Design of Everyday Things – von Donald Norman. Er ist Usability-Spezialist und Professor für Kognitionswissenschaften und Informatik.

3. Loyalty 3.0: How to Revolutionize Customer and Employee Engagement with Big Data and Gamification – von Rajat Paharia. Er begründete die Gamification-Branche im Jahr 2007 als Gründer und Chief Product Officer bei Bunchball.

4. Web Fatale: Wie Du Webseiten gestaltest, denen niemand widerstehen kann – von Johannes Ippen: Leiter Produktmarketing bei Wooga und Gründer bei Thanalot Design Collective.

5. Momentum – Die Kraft, die Werbung heute braucht. – von Holger Jung & Jean-Remy von Matt. In dem Buch geben die beiden Geschäftsführer der Werbeagentur Jung von Matt Einblicke in Methoden und Geheimnisse ihrer Arbeit.

Fabian Hans

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